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Obama verspricht, nicht nachzugeben - selbst wenn das seinen Fall bedeuten würde.

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Die alten Geschichten aus Springfield, nun werden sie wieder ausgegraben. In der beschaulichen Hauptstadt des Bundesstaats Illinois saß Barack Obama acht Jahre lang im Senat, fernab der großen politischen Bühne Washingtons. Phasenweise soll er sich furchtbar gelangweilt haben. Er hatte viel Zeit totzuschlagen, weshalb er sich einmal pro Woche mit Kollegen zum Pokern traf. Ein wirklich guter Spieler sei er gewesen, hat David Mendell herausgefunden, der Erste, der eine Obama-Biografie schrieb. "Er war vorsichtig. Er verstand es sehr geschickt, sein Blatt nicht durch verräterisches Mienenspiel zu offenbaren."

Kein Wunder, dass solche Episoden im Gezerre ums US-Schuldenlimit noch einmal aufgewärmt werden. Schließlich bedient sich der Präsident neuerdings selber der Pokersprache. "Verlassen Sie sich nicht darauf, dass ich bluffe", soll er seinem härtesten Widersacher zugerufen haben, dem aufstrebenden Abgeordneten Eric Cantor, der die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus führt. "Es ist genug", wetterte Obama, weil sich Cantor um keinen Zentimeter bewegen wollte. "Das mag meine Präsidentschaft zu Fall bringen, aber ich werde auch nicht nachgeben." Szenen einer Nervenschlacht.

Meist wirkt Obama wie ein Schlichter, besonnener und verbindlicher als seine Rivalen. Nun erleben die Amerikaner einen Staatschef, der den Showdown nicht scheut. Erst Donnerstag stellte er ein Ultimatum: Binnen 36 Stunden sollten ihn die Streithähne wissen lassen, ob sie interessiert seien an einem Deal. Hinter dem scharfen Ton verbirgt sich Enttäuschung. Obama hatte zwar mit schweren Gesprächen gerechnet, aber nicht mit einem Starrsinn, der an fiskalisches Harakiri grenzt. Er sei sich sicher gewesen, dass das Tauziehen mit einem Kompromiss enden würde, glauben Insider. Früh legte er ein Angebot vor, das den Konservativen ein Einlenken erleichtern sollte.

Demnach sollte der Schuldenberg der USA bis 2021 um vier Billionen Dollar abgebaut werden, zu drei Vierteln durch Ausgabenkürzungen, zu einem Viertel durch das Schließen von Steuerschlupflöchern, etwa für Hedgefondsmanager oder Besitzer von Privatjets. Abstriche bei der Rente waren ebenso vorgesehen wie bei Medicare, der staatlichen Gesundheitsversorgung für Alte. Obamas Skizze sollte die Trendwende signalisieren, die strategische Begleitmusik zum kurzfristig unvermeidbaren Provisorium, dem Anheben des Schuldenlimits.

Heillos zertrittene Republikaner

Bislang ging die Rechnung nicht auf, denn die Republikaner sind heillos zerstritten. Der Parlamentsvorsitzende John Boehner, ein Veteran der Szene, wäre wohl mit Obama längst handelseinig. Cantor dagegen, relativ neu in der Spitzenetage, lehnt es ab, sich auf das eine Viertel des Obama-Plans einzulassen, auf höhere Steuern - weshalb ihn der Präsident wissen ließ, dass es ihm nun seinerseits reiche. Cantor schielt auf die Rebellen der Tea Party, die das Establishment in die Mangel nehmen.

Seit dem Protestvotum des vergangenen Herbstes sind sie mit über 80 Politikern im Kongress vertreten. Während Zentralbankchef Ben Bernanke vor einem Desaster warnt, sollte die Schuldengrenze nicht steigen, schert sich die Tea Party nicht um die Folgen: Ideologie geht vor Kompromiss.

Obama hat es lange mit leisen Tönen versucht. Er hat an die Vernunft appelliert. Die eine Partei beherrsche die Exekutive, die andere die Legislative. Jeder müsse "ein wenig geben". Nun liegen die Nerven blank, nun werfen Demokraten den Republikanern vor, sie litten an Gedächtnisverlust. Der teure Irakkrieg, Steuergeschenke für Reiche, das Bankenrettungspaket - war es nicht George W. Bush, der Milliarden verschleuderte? "Er hat uns die Suppe eingebrockt, und wir dürfen sie auslöffeln", zürnt Nancy Pelosi, prominenteste Stimme der Linksliberalen. (Frank Hermann, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16./17.7.2011)